
„Unser“ Bundeskanzler Friedrich Merz hat neulich dazu aufgerufen, wir sollen doch einfach mal unsere Töchter fragen, was sie zum „Problem im Stadtbild“ sagen. Und weil ich zufällig auch eine Tochter bin, dachte ich: Na klar, Friedrich, das mache ich.
Hier also mein Statement: Nee.
Genau. Das wäre meine Stellungnahme zu der Frage, ob ich Migration als Problem im Stadtbild wahrnehme. Muss ich sagen: Nee. Aber weil Friedrich Merz die Perspektive von Frauen scheinbar sehr am Herzen liegt, habe ich mir erlaubt, ein paar Dinge aufzuschreiben, die mich am Stadtbild stören – als kleine Inspiration, wo man vielleicht mal was machen könnte.
Mich stören zum Beispiel diese vielen Autos. Die stehen überall, blockieren Gehwege und verpesten die Luft. Wäre schön, wenn man da mal was machen könnte – vielleicht so was Modernes wie Radwege, sichere Gehwege für Kinder oder subventioniertes Car-Sharing. Nur so als Idee, von einer Tochter. Oder die dunklen Straßen, in denen Laternen Mangelware sind. Da laufe ich nachts manchmal lang und denke mir: Ach, hier wäre es echt nett, wenn es Licht gäbe – so richtiges, elektrisches. Könnte man ja mal prüfen, bevor man mich als Argument für Abschiebungen benutzt.
Und Männer, die mir ungefragt erklären, wie die Welt funktioniert, die sieht man auch ziemlich häufig im Stadtbild. Kann man da nichts machen? Vielleicht ein Warnschild aufstellen: Vorsicht, Mansplaining Area.
Dann wären da noch Kindergartenplätze. Die sehe ich eher selten, was wohl daran liegt, dass es so wenige gibt. Würde das Stadtbild enorm verschönern, wenn Eltern nicht verzweifelt Excel-Tabellen führen müssten, um einen Platz zu ergattern. Und wenn wir schon dabei sind: Care-Arbeit. Auch so ein Ding, das im Stadtbild eher unsichtbar ist. Vielleicht könnte man die einfach mal finanziell sichtbar machen, damit aus Töchtern keine Mütter werden, die zwischen Burnout und Altersarmut jonglieren.
Und apropos Arbeit: Vielleicht könnte man auch etwas für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf tun? Wäre doch nett, wenn Vereinbarkeit nicht bloß ein Wort im Wahlprogramm wäre, sondern zwischen Büro, Supermarkt, Spielplatz und Realität auch sichtbar wird. Und für Alleinerziehende – da wäre das Stadtbild gleich doppelt schöner, wenn man ihre Lebensrealität nicht weiter in Statistiken und Fußnoten verstecken würde. Wie wäre es mit weniger Bürokratie, mehr Unterstützung und der Idee, dass ein Elternteil – übrigens zu 85 % Frauen – nicht doppelt arbeiten sollte, nur um halb über die Runden zu kommen? Wäre doch was fürs Stadtbild, oder?
Frauenhäuser wären auch eine schöne Idee. Passen optisch super in jede Stadt, vor allem wenn man bedenkt, dass häusliche Gewalt leider kein Deko-Element, sondern Realität ist. Oder ärztliche Versorgung für Frauen. Gendergerechte Medizin – dieses neumodische Konzept, dass Frauenkörper anders sind als Männerkörper. Vielleicht wäre das etwas fürs Stadtbild?
Und wo wir gerade bei Körpern sind: Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisieren, das wär doch auch eine hübsche Maßnahme. Dann müssten Frauen nicht mehr in juristischen Schattenräumen existieren, nur weil sie Entscheidungen über ihren eigenen Körper treffen. Ich weiß, das ist mutig – aber man kann ja mal darüber reden, wenn einem die Töchter so wichtig sind.
Und klar, Schulen. Unterbesetzt, überfordert, veraltet – wenn man da mal was tun würde. Zum Beispiel Lehrkräftemangel anerkennen, das Bildungssystem entstauben und Geld für Räume, Material und Köpfe freigeben. Da wäre echt Luft nach oben, stadtbildmäßig.
Und zum Abschluss vielleicht noch eine Kleinigkeit: der Gender Pay Gap. Wäre nett, wenn man den ein wenig angleichen könnte, so wie man Bordsteine barrierefrei macht. Dann müssten wir Töchter nicht ständig für weniger Geld über dieselben Stolperfallen balancieren.
Ich freue mich jedenfalls darauf, dass das jetzt alles bald angegangen wird, weil meine Meinung als Tochter offenbar wirklich wichtig ist.
Wenn sich die Aussage über „das Stadtbild“ von Herrn Merz am Ende allerdings doch nur auf Migration beschränken würde – dann hieße das ja, dass die Perspektive von Töchtern (also Frauen) nur benutzt wird, um rechtsradikale Politik hübsch zu verpacken. Dann wären unsere Körper, unsere Stimmen, unsere Ängste nur Kulisse für eine Politik, die nicht schützt, sondern spaltet. Für eine Politik, die Macht sichern will, nicht Menschen. Aber nein – das wäre ja absurd. Doch nicht bei einer Partei, die sich christlich nennt, demokratisch, wertebewusst.
Ich meine, wir reden hier immerhin von einer Volkspartei, die seit Jahrzehnten betont, sie stünde für Freiheit, Solidarität und Gleichberechtigung (und gleichzeitig das Selbstbestimmungsgesetz und fast jede Form queerer Sichtbarkeit ablehnt). Eine Partei, die behauptet, in der Mitte zu stehen (aber zunehmend weiter nach rechts rückt). Eine, die laut „Familie“ ruft (und damit Vater, Mutter, Kind meint – in genau dieser Reihenfolge). Eine Partei, die regelmäßig Frauenrechte für sich entdeckt (aber nur, um sie als populistische Fürsorge zu inszenieren).
Das wäre ja fast, als würde man das Wort „Töchter“ in den Mund nehmen, um rechtes Gedankengut als Familiensorge zu tarnen. Aber das kann Friedrich Merz ja nun wirklich nicht so gemeint haben.
